Ein vermeintlich gewöhnlicher Fahrzeugbrand entpuppt sich als Strahlenschutzeinsatz, der den Einsatz umfangreicher Spezialkräfte und Messtechnik erforderlich macht: Vor dieser Herausforderung stand kürzlich die Freiwillige Feuerwehr Sondelfingen, die gemeinsam mit den Gefahrstoffeinheiten der Feuerwehren aus Reutlingen und Pfullingen übte.
Die Sondelfinger Wehr war unter dem Alarmstichwort einer „verdächtigen Rauchmeldung“ auf das Übungsgelände Reihersteige alarmiert worden. Mit zwei Löschgruppenfahrzeugen rückten die freiwilligen Feuerwehrleute aus - im Gedanken an eine gewöhnliche Einsatzübung. Während der erste Angriffstrupp nun allerdings unter Atemschutz das Feuer löschte, bemerkte der Trupp eine Warntafel am Fahrzeug, welche auf einen radioaktiven Strahler im Fahrzeug hinwies. Ganz abwegig ist ein solches Szenario übrigens keineswegs: Vor allem im medizinischen Bereich werden radioaktive Materialien heutzutage häufig benötigt und hauptsächlich mit Kleintransportern befördert. Verunfallt - oder brennt gar - ein solches Fahrzeug, muss sichergestellt werden, dass die entsprechenden Paketstücke nicht beschädigt sind und deren Inhalt die Umgebung nicht kontaminiert.
Zugführer Thorsten Lipp reagierte nun genau richtig: Um seine Einsatzkräfte zu schützen, zogen sich die Sondelfinger Feuerwehrleute zunächst auf eine sichere Distanz zurück und richteten einen Absperrbereich ein. Einzig die Angriffstrupps unter Atemschutz blieben in der Nähe der zwei aufgefundenen Fahrzeuge, um den Brand zu löschen und die Rettung von zwei Verletzten durchzuführen. Zugleich forderte Lipp den Gefahrstoffzug Reutlingen-Pfullingen zur Unterstützung an. Der Gefahrstoffzug bildet sich aus den Gefahrstoffeinheiten der Feuerwehr Reutlingen und der Freiwilligen Feuerwehr Pfullingen. In beiden Wehren sind es vor allem ehrenamtliche Feuerwehrleute, die sich zusätzlich zum Regelübungsdienst noch zu weiteren Diensten treffen, um sich für Gefahrguteinsätze kundig zu machen und die vorgehaltene Spezialausrüstung zu beherrschen.
Gemäß der Alarm- und Ausrückeordnung folgte nun der gemeinsame Einsatz dieser Spezialkräfte, wobei der Feuerwehr Reutlingen auf dem eigenen Stadtgebiet die Aufgabe der unmittelbaren Gefahrenabwehr zufällt, während die Pfullinger Kameraden für die Dekontamination verantwortlich sind, also für die Reinigung der im Einsatz befindlichen Kräfte. „Dank der guten Vorarbeit der Freiwilligen Feuerwehr Sondelfingen konnten wir bei unserer Ankunft bereits die vorhandene Infrastruktur nutzen: Der Absperrbereich war gesichert, Lichtmasten sorgten für eine angemessene Beleuchtung“, lobte Pfullingens Zugführer Wilfried Götz die Vorarbeiten der Sondelfinger Wehr, die im Alltag nur selten mit Gefahrstoffeinsätzen konfrontiert wird. Während die Pfullinger Feuerwehrleute nun einen Dekontaminationsplatz aufbauten und damit begannen, die Sondelfinger Angriffstrupps und die geretteten Personen freizumessen - also auf eine Kontamination mit strahlendem Material zu untersuchen, leitete die Reutlinger Wehr einen umfangreichen Messeinsatz ein.
Zwei Drei-Mann-Trupps in Kontaminationsschutzanzügen gingen mit Messgeräten zu den beiden Fahrzeugen vor, lokalisierten die zwei im Fahrzeug versteckten Übungsstrahler und sicherten diese mit Hilfe von Greifwerkzeugen, die ein Arbeiten aus der Distanz möglich machten, in einem Kunststofffass. Weitere Messungen ergaben in der Folge, dass der dicke Kunststoff ausreichte, um die Alpha- und Betastrahlung weitestgehend abzuschirmen. In der Praxis würde nun ein darauf spezialisiertes Entsorgungsunternehmen die Strahler in Empfang nehmen. Um weitere Auswirkungen auf die Umgebung auszuschließen, führte die Mannschaft des Abc-Erkunderwagens, der im Rahmen des Zivilschutzes vom Bund in Reutlingen stationiert wurde, Kontrollmessungen in der Umgebung durch. Die Pfullinger Feuerwehrleute führten unterdessen die beteiligten Trupps durch die Dekonstelle und stellten nur bei einem Feuerwehrmann eine erhöhte Strahlungsintensität fest, die aber nach dem Ablegen der Schutzausrüstung nicht mehr feststellbar war - womit der Einsatz der Feuerwehrleute nach rund zwei Stunden beendet werden konnte.
Während der Gefahrstoffzug Reutlingen-Pfullingen bereits öfters zusammen übte und auch andere Spezialisten, wie die ebenfalls für Gefahrstoffeinsätze gerüstete Freiwillige Feuerwehr Dettingen, miteinbezog, kam es nun erstmals zu einer Einsatzübung mit einer Feuerwehrabteilung, die als ersteintreffende Einheit nicht auf einen Gefahrguteinsatz vorbereitet ist. Diese Wehren gehen für gewöhnlich nach der GAMS-Regel vor. Diese steht für das Erkennen der Gefahr, die Durchführung von Absperrmaßnahmen und der Menschenrettung, sowie die Nachforderung von Spezialkräften. „Die Zusammenarbeit hat hervorragend funktioniert, alles lief reibungslos“, lobte am Ende der Einsatzübung Thomas Kern, der Leiter der Reutlinger Gefahrstoffeinheit.
Alexander Thomys