Kreisfeuerwehrverband Reutlingen

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Feuerwehr und Social Media

Youtube, Facebook, Twitter und Co: Längst sind soziale Netzwerke und Medien gesellschaftliche Realität. Der Umgang mit „Social Media“ ist deshalb heutzutage auch für die Feuerwehren elementar. Doch das Praxiswissen ist begrenzt.

Der Kreisfeuerwehrverband Reutlingen nahm dies zum Anlass, eine Fortbildung unter dem Motto „Soziale Medien im Spannungsfeld zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Einsätzen von Feuerwehr, Polizei und Hilfsorganisationen“ anzubieten. Vor rund 45 Interessierten Feuerwehrangehörigen sprachen Markus Medinger und Karl-Heinz Dumbeck zu diesem Thema.

Markus Medinger ist Fachgebietsleiter für die Öffentlichkeitsarbeit bei der Feuerwehr Kernen im Remstal und gleichzeitig Pressesprecher der Feuerwehren im Rems-Murr-Kreis. Medinger sprach im Feuerwehrhaus der Freiwilligen Feuerwehr Dettingen dabei nicht über die Möglichkeiten zur Öffentlichkeitsarbeit durch die Feuerwehren, sondern setzte einen Schwerpunkt auf die aktive Informationsgewinnung über die sozialen Medien. „Die Leute sind ständig überall präsent, posten Nachrichten und nehmen Videos auf“, erklärte Medinger einleitend. Oftmals seien in den sozialen Medien daher schnell Informationen von möglichen Einsätzen verfügbar - noch bevor die Hilfsorganisationen vor Ort eintreffen. Einen Extremfall schilderte Medinger aus Backnang: Dort wurden über die Videoplattform „Periscope“ gleich zwei Live-Videos vom Brand eines Schuppens veröffentlicht - und beide Filmer hatten es versäumt, die Feuerwehr zu alarmieren. Bei Großschadenslagen kann dies noch krasser sein: Nach den Anschlägen von London 2005 etwa wurden der britischen Nachrichtenagentur BBC innerhalb von 24 Stunden 1000 Fotos angeboten - welche die Einsatzleitung allesamt nicht erreichten. „Durch ein entsprechendes Monitoring der sozialen Medien können diese Informationen auch für die Hilfsorganisationen gewonnen werden“, betonte Medinger. „Die mit den Handys vor Ort sind einfach schneller als wir.“

Über verschiedene Software wie Google-Alert oder die Live-Video-Funktion von Facebook könnten so etwa auch im ländlichen Raum bei Hochwassern oder Stürmen aktuelle Bilder auf schnellem Weg die Einsatzleitung erreichen und die Entscheidungen damit erleichtern. Voraussetzung ist hierfür allerdings eine gute Vorbereitung - im Ernstfall erst die richtigen Suchbegriffe zu finden, würde zu lange dauern. Gelingt dies optimal, könnte viel Zeit gewonnen werden. Wie etwa in Markgröningen 2014, als die Feuerwehr zunächst nur zu einer Ölspur alarmiert worden war. Auf Facebook verbreitete sich dagegen schnell die Nachricht eines tödlichen Motorradunfalls - zahlreiche Schaulustige und Angehörige eilten zu der vermeintlichen „Ölspur“. „Und dann hatten wir plötzlich eine große Betreuungslage“, erzählte Medinger. Daher sei es für die Einsatzleitung mitunter schon auf der Anfahrt interessant, einen Blick ins Internet zu werfen.

Und dadurch etwa auch Helfer zu mobilisieren: Als 2002 in Syke ein Lastwagen 36 Paletten mit Getränkekisten verlor, wurde über Facebook durch den Getränkehändler der Aufruf gestartet, sich an den verlorenen Plastikflaschen kostenlos zu bedienen. In kürzester Zeit war die Fahrbahn geräumt. „Keine Feuerwehr wäre so schnell gewesen, die Leute haben ihre Autos bis zum Anschlag vollgepackt“, schmunzelte Medinger. Ein weiteres Beispiel, wie die sozialen Netzwerke helfen können, bietet die Safety-Funktion von Facebook. Diese wird von dem Unternehmen nach größeren Katastrophen oder Anschlägen freigeschaltet und bietet die Möglichkeit, sich gegenüber seinen Facebook-Freunden als „in Sicherheit“ zu markieren. Als diese Funktion nach den Amoklauf von München freigeschaltet wurde, registrierten die Leitstellen auf einen Schlag deutlich weniger Anrufe von besorgten Bürgern, die sich über den Notruf Informationen zu ihren Lieben erhofften.

Gleichzeitig können über die Sozialen Medien auch Aufrufe gestartet werden, die viele Menschen ansprechen könnten. „Die Leute wollen helfen, wissen aber oft nicht wie.“ Botschaften mit klaren Ansagen, etwa bestimmte Gebiete zu meiden oder keine Bilder öffentlich zu machen, sondern sie den Rettungskräften zur Verfügung zu stellen, könnten Menschen zur besonnenen Mithilfe bewegen. „Wichtig ist auch, das Ende eines Einsatzes mitzuteilen. Die Leute warten sonst weiter auf Informationen“, hat Medinger beobachtet. Eine intensive Beobachtung der sozialen Medien könne auch Missverständnisse vermeiden oder die Möglichkeit bieten, diesen entgegenzutreten, bevor das Thema allzu aufgebauscht wird. Ein Beispiel hierfür war etwa das vermeintliche „Selfie“ eines Rettungssanitäters nach dem Zugunglück bei Bad Albing. Während in den Sozialen Medien die Empörung darüber startete, hatte der Helfer in Wahrheit nur ein Foto der zahlreichen Journalisten hinter der Absperrung gemacht. Aufgrund eines guten Monitorings konnte das private Rettungsdienstunternehmen innerhalb von nur zwei Stunden eine aufklärende Stellungnahme verbreiten - und die Empörungswelle damit eingrenzen.

„Wir müssen uns als Feuerwehren bewusst sein, im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen“, betonte Medinger abschließend. Alle Feuerwehrleute wirkten online als Botschafter für ihre Wehren - dementsprechend sollten in den Wehren Richtlinien für den Umgang mit den sozialen Medien vorgegeben werden. Ein Rückzug aus den Sozialen Medien sei dagegen nicht sinnvoll: „Über die Feuerwehren wird in den Sozialen Medien gesprochen - ob mit den Feuerwehren, oder ohne sie.“

Diese Erfahrung musste auch der zweite Referent des Fortbildungsabends machen. Karl-Heinz Dumbeck ist Stadtbrandmeister in Bad Saulgau und wurde im September vergangenen Jahres mit seiner Wehr zu einem Kellerbrand alarmiert. Die Feuerwehr konnte mehrere Personen aus dem Gebäude in Sicherheit bringen und den Brand schnell löschen. „Aus unserer Sicht ist alles gut gelaufen, alle waren zufrieden“, erklärte Dumbeck. Doch später sah sich die Wehr auf Facebook öffentlichen Anfeindungen ausgesetzt. Zwar handelte es sich dabei nur um einen anonymen Facebook-Nutzer, der zunächst schwere Vorwürfe und später auch unhaltbare Drohungen gegen die Feuerwehrleute aussprach, doch sorgte dies auch außerhalb der Sozialen Medien für Unruhe. Die Einsatzkräfte begannen an ihrer Leistung zu zweifeln, Angehörige der Feuerwehrleute hatte Angst vor den Drohungen. „Auf solche Situationen müssen wir reagieren können“, betont Dumbeck, der sich nach diesem Ereignis zunächst selbst einen Facebook-Account einrichtete.

Um mit solcher Schmähkritik umgehen zu können, aber auch für den grundsätzlichen Umgang mit den Sozialen Medien, hat die Bad Saulgauer Feuerwehr ebenfalls Richtlinien ausgegeben. So obliegt eine Antwort auf derlei Kritik ausschließlich dem Feuerwehr-Kommando, Bilder aus dem Feuerwehrdienst müssen vor der Veröffentlichung freigegeben werden. Intern wurden nach diesem Vorfall viele Einzelgespräche geführt, auch mit den Familienangehörigen der Feuerwehrleute. Und die Wehr ging an die Öffentlichkeit, schilderte den Fall gegenüber der Presse. Zugleich erstattete die Stadt Bad Saulgau Strafanzeige, Facebook selbst sperrte später den anonymen Account und löschte die Beiträge. „Zugleich haben wir aber auch ein richtig gutes Feedback aus der Bevölkerung erhalten“, betonte Dumbeck, dass positive Kommentare zur Feuerwehr bei weitem überwiegen würden. Aber stets müsse man eben auch mit, teils auch unberechtigter, Kritik rechnen und darauf reagieren müssen. „Man darf im Umgang mit Social Media keine Angst haben, man sollte sich aber auch auf die negativen Seiten vorbereiten und Social Media positiv nutzen.“