Auf Anhieb wirkt die Wärmegewöhnungsanlage (WGA) der Feuerwehr Reutlingen aus umgebauten Schiffscontainern nicht spektakulär, aber Wärme wird in der Wärmegewöhnungsanlage neu definiert.
Für den Normalbürger ist ein Sommertag warm, vielleicht auch schon heiß. In den Stahlcontainern wird dagegen ein Feuer entzündet. Mehrere Holzpaletten brennen unter kontrollierten Bedingungen ab, vergleichbar etwa mit dem Brand eines Holzrahmens eines kleinen Sofas. Die Hitze staut sich, es werden rund 200 Grad Celsius erreicht. In den Containern sollen die Einsatzkräfte der Feuerwehr, egal ob haupt- oder ehrenamtlich, das effektive Arbeiten bei einem echten Brand lernen können.
In der Theorie wurde zuvor das vermittelt, was die Brandbekämpfer nun in der Praxis erleben werden. Bevor es dann losgehen kann übernimmt Frank Wittel, Stellvertretender Freiwilliger Feuerwehrkommandant, die Sicherheitsunterweisung. Jeder kann die Übung zu jedem Zeitpunkt abbrechen. „Wir wollen hier keine Helden schaffen, die meinen alles aushalten zu müssen“, sagt Wittel. „Wir wollen hier vernünftigen Feuerwehrleuten Erfahrungen vermitteln, um im Ernstfall sicheres Arbeiten zu ermöglichen.“
Sechs Feuerwehrleute werden mit einem Ausbilder in den Container gehen, in einem Bereich des L-förmigen Innenraums wird ein Palettenfeuer entfacht. Gegen den Uhrzeigersinn werden später im Inneren die Plätze getauscht, niemand soll die ganze Zeit in vorderster Reihe stehen. Aber alle sollen das Feuer beobachten können, die Brand- und Rauchentwicklung, die Hitze. Ziel ist, den Brandverlauf zu verstehen und einschätzen zu können. Und die Erfahrung zu machen, wie „heiß“ es in einem Feuer wirklich werden kann. Damit einem im Ernstfall nicht gleich vor Staunen die Luft wegbleibt. Respekt soll bleiben, aber keine erschwerende Angst, auch wenn bei einem Zimmerbrand noch weitaus höhere Temperaturen erreicht werden können.
Dann geht es los. Erst ist es dunkel. Dann gewöhnen sich die Augen an die fehlende Helligkeit, der Feuerschein wird wahrgenommen. Alle knien möglichst tief am Boden – denn am heißesten wird die Luft an der Decke des Raumes. „Zieht einen Handschuh aus und haltet die Hand nach oben“, lautet die Anweisung des Ausbilders. Tatsächlich verändert sich die Luft auch im hinteren Bereich des Containers, vermeintlich weitab vom Feuer. Ein Luftzug ist zu spüren, wo keiner sein sollte. Die Wärme nimmt deutlich zu, die Luftfeuchtigkeit ist merklich höher als im unteren Bereich des Containers. Erleichterung schwingt mit, als die Handschuhe wieder angezogen werden. Im vordersten Bereich des Containers wird es nun warm, unangenehm warm. Und es wird schnell immer heißer. Jede dünne Stelle an der Schutzkleidung, etwa der Übergang zwischen der Atemschutzmaske und Einsatzjacke, wo nur eine Flammschutzhaube schützt, macht sich schmerzlich bemerkbar. Jeder Schritt zurück beim Abwechseln ist eine Wohltat. An der Decke ist die Rauchschicht inzwischen tiefschwarz und zugleich deutlich herabgesunken. Beim Kriechen achtet man nun penibelst darauf, die isolierenden Luftpolster in der Einsatzkleidung aufrecht zu erhalten. Als dann die „Dancing Angels“ zu sehen sind, also die Flammenzungen, die bei der Verbrennung der heißen Rauchgase entstehen, heißt es kurz darauf: „Rückzug!“.
Nun ist trinken angesagt. Eine Pause. Erholung, bevor es mit der zweiten Runde weiter geht. Nun wird ein Brandeinsatz simuliert. Der Zwei-Mann-Trupp geht nun in den eigentlichen Innenangriff: Mit dem Strahlrohr geht es an den Brandherd, wo kurz Wasser auf die Flammen abgegeben wird. Das Löschen ist nicht Sinn der Sache - schließlich soll das Feuer für den nächsten Trupp auch noch brennen. Doch schon der kurze Wasserstrahl sorgt für eindrückliche Lerneffekte: Die Dunkelheit, die sich schlagartig ausbreitet, als das Wasser die Flammen zurückdrängt. Und der Wasserdampf, der durch die Schutzkleidung bis zur Haut vordringt und die Hitze auf eine ganz neue Art und Weise unangenehm spürbar macht. Dann geht es auch schon weiter, durch die nächste Türe.
Im verrauchten, dritten Containerraum soll mittels der Hydroventilation der Raum rauchfrei gemacht werden. In der Theorie sieht die Sache so aus: Durch das Abgeben von Wasser im Sprühstrahl über das Strahlrohr durch ein Fenster soll der Rauch mit aus der Wohnung gezogen werden. In der Praxis muss der Trupp in dem stockdunklen Raum erst einmal ein Fenster finden. Ganz wie im wahren Leben. Dann ist die Übung beendet, verschwitzt und voller neuer Erfahrungen wird die WGA verlassen. Trinkpause.
Zum Schluss folgt der Erfahrungsaustausch, das Feedback der Ausbilder. In einem Fall etwa gab der Truppmann zu früh Wasser ab - die einsetzende Dunkelheit überraschte und desorientierte den Truppführer, der noch die Schlauchleitung nachgezogen hatte. Fehler, die im kontrollierten Rahmen der Übung harmlos sind - und aus denen für den Einsatz gelernt werden kann und soll.
Alle zwei Jahre sollte jeder Atemschutzgerteträger bei der Feuerwehr Reutlingen die Wärmegewöhnungsanlage auf dem Übungsgelände Reihersteige durchlaufen. Zudem steht bei der Feuerwehr Reutlingen auch noch eine gasbefeuerte Übungsanlage zur Verfügung: In dieser steht nicht die Wärmegewöhnung, sondern das richtige Verhalten beim Einsatz des Strahlrohres und im Falle einer plötzlichen Durchzündung im Vordergrund.