Fit für extreme Einsätze
Professor Kibele hat ein Trainingskonzept für die Kasseler Berufsfeuerwehr entwickelt
Training für den Ernstfall: Kasseler Feuerwehrleute trainieren in einem Fitnessraum. Professor Dr. Armin Kibele (rechts) gibt Tipps, er hat ein spezielles Programm für die Brandschützer entwickelt. Archivfoto: Koch
Kassel. Sengende Hitze und schwere Schutzkleidung - Feuerwehrmänner sind im Einsatz extremen Belastungen ausgesetzt. Darauf reagiert ihr Körper: Deutlich über 200 Mal pro Minute kann das Herz eines Retters stressbedingt in solchen Situationen schlagen.
"Für einen normalen Erwachsenen wäre eine derart hohe Herz-Kreislauf-Belastung bedenklich", sagt Professor Dr. Armin Kibele vom Institut für Sport und Sportwissenschaft in Kassel. Zum Vergleich: Unter hoher Belastung zeigen sich beim trainierten Sportler nur 180 bis 190 Herzschläge pro Minute.
Kibele hat ein spezielles Trainingskonzept entwickelt, das Brandschützer auf ihre körperlichen Belastungen im Einsatz vorbereitet. Die Idee dahinter: Wie lassen sich Erkenntnisse aus der Trainingswissenschaft auch auf außersportliche Berufsfelder übertragen? Jahrelang habe sich die Sportwissenschaft in erster Linie für den Leistungssport interessiert.
"Dabei sind auch Menschen in Berufen wie Fliesenleger und Friseure besonderen Belastungen ausgesetzt", sagt Kibele. Feuerwehrmänner müssen im Schnitt 20 bis 30 Minuten lang extreme Belastungen aushalten.
Sie brauchen eine starke Rücken-, Bein- und Armmuskulatur. Besonders wichtig sind Ausdauer und Kraftausdauer, also ein hoher Krafteinsatz über einen längeren Zeitraum. Um diese konditionellen Fähigkeiten zu fördern, läuft seit vier Jahren das Projekt Feuerwehrfitness und -diagnostik. "Mittlerweile sind wir über die Erkundungsphase hinaus", sagt Kibele. Man wisse, wie die Brandschützer eigentlich trainieren sollten, aber auch was realistisch ist.
Denn ein optimales Training, wie es in den USA entwickelt wurde und täglich mindestens eine Stunde an Kraft- und Ausdauerübungen einfordert, sei für Retter mit wenig Sportambitionen oder einer Vorerkrankung nicht realistisch. "Das wären dann Bodybuilder."
Von den Kasseler Sportwissenschaftlern bekommen die Feuerwehrleute daher angepasste Trainingspläne. Es gibt vier Stufen - vom Brandschützer mit gesundheitlicher Schädigung bis hin zum Supersportler.
Sportstudenten geben Rat
Die Retter trainieren in den zwei Trainingsräumen der Feuerwachen selbstständig. Qualifizierte Sportstudenten geben Rat und Anleitung. Im September und Oktober eines Jahres ermitteln die Sportwissenschaftler durch einen Fitnesstest dann die Fortschritte der Feuerwehrmänner. Das gefällt freilich nicht jedem Feuerwehrmann: Manche befürchteten, dass diese Ergebnisse irgendwann über Beförderungen entscheiden könnten. "Diese Sorge versuchen wir zu zerstreuen", sagt Kibele.
Einzigartig in Deutschland
Insgesamt sei das Kasseler Projekt mit seiner dauerhaften wissenschaftlichen Begleitung einzigartig in Deutschland, sagt Kibele. Er will den Austausch mit anderen Experten und Wehren fördern: Ein Feuerwehr-Symposium der Stadt und der Uni am 15. und 16. April soll dies möglich machen.
Von Göran Gehlen