LEUTE - Feuerwehr-Abteilungskommandant Gerhard Fauser verabschiedet sich heute aus dem aktiven Dienst
Löschen statt schießen
VON MARTIN SCHREIER
REUTLINGEN-MITTELSTADT. »Das Feuerwehrhaus Mittelstadt ist fast meine zweite Heimat«, sagt der Sechzigjährige, als er in den Hof einbiegt. Etwas Wehmut liegt in seiner Stimme. Vor einer Woche wurde Gerhard Fauser zum Ehrenkommandanten ernannt, Höhepunkt einer fast 43-jährigen Karriere. Am heutigen Freitag wird er den aktiven Dienst beenden. »Dann gebe ich die Uniform ab und werde nicht mehr ausrücken. Das ist ein neues Gefühl.« Glücklich klingt er dabei nicht gerade.
Warum er dann aufhört? »Zwanzig Jahre als Abteilungskommandant langen. Ich gebe die Verantwortung gerne ab.« Gerne hätte er aber auch im Glied weitergemacht. Aber damit die Nachfolger sich freischwimmen können, sei es besser ganz aufzuhören.
Zur Feuerwehr kam der Mittelstädter, weil der damalige Kommandant Jakob Haug ihn und weitere seiner Klassenkameraden angesprochen hatte. Das war im Juli 1969. Der über Ecken verwandte Haug sei für ihn so etwas wie ein Onkel gewesen. Auch die Klassenkameraden kamen dem Aufruf nach. Doch keiner blieb so lange im aktiven Dienst wie Fauser. Als die Einberufung kam, verpflichtete er sich zum Ersatzdienst, getreu dem Motto: löschen statt schießen.
»Meine Feuertaufe hatte ich schnell hinter mich gebracht« §§ Mit einem Schmunzeln im Gesicht erzählt Fauser, dass es die Mittelstädter 1970 in Gummistiefeln zum bronzenen Leistungsabzeichen schafften. Auch damals seien Sicherheitsstiefel schon Pflicht gewesen. »Hätte nicht der damalige Prüfer, Walter Walz aus Metzingen, Gnade vor Recht ergehen lassen, wären wir disqualifiziert worden.«
Während seiner Feuerwehrlaufbahn hat sich vieles geändert. 1970 zieht die freiwillige Feuerwehr Mittelstadt aus dem beengten Feuerwehrmagazin unterm Rathaus ins neu errichtete Feuerwehrhaus in der heutigen Riedericher Straße. Durch die Gemeindereform verlieren die Mittelstädter 1975 ihre Eigenständigkeit und werden eine Abteilung der freiwilligen Feuerwehr Reutlingen. Auch die Einführung der Funktechnik und die Gründung der Jugendfeuerwehr erlebt Fauser, bevor er am 31. Januar 1992 zum Abteilungskommandanten gewählt wird.
Der erste Einsatz in neuer Position lässt nicht lange auf sich warten. Einen Tag nach seiner Wahl brennt ein Wochenendhaus. »Somit hatte ich die Feuertaufe sehr schnell hinter mich gebracht«, kommentiert Fauser das Ereignis lakonisch. Besonders wurde der Einsatz aber erst durch die Unfälle auf dem Weg zur Brandstätte. Die Bilanz: ein verletzter Polizeibeamter und drei kaputte Autos, darunter ein Streifenwagen, ein Einsatzleitwagen der Feuerwehr sowie das Fahrzeug eines Feuerwehrmannes.
18 Jahre ist Fauser Teil des Brandsicherheitswachdiensts an Sonn- und Feiertagen. Zwischen 1992 und 2004 gehört er zur Führungsgruppe. »Dadurch war ich auch bei Großbränden dabei, habe viel gelernt und Erfahrungen sammeln können.« In Erinnerung geblieben sind ihm Großeinsätze, wie etwa beim Jahrhunderthochwasser 1978, dem Großbrand bei der Firma Beck 1982 und Gummi-Reiff 1995 sowie Überschwemmungen in den Jahren 2002 und 2005. Den Großbrand bei Bosch in Rommelsbach 2006 erlebt er sogar im Angriffstrupp.
Eingebrannt hat sich ihm aber noch ein anderes Datum mitsamt Uhrzeit: 4. Februar 1995, 17.09 Uhr. »Der Alptraum eines jeden Feuerwehrmannes«, so beschreibt es Fauser. Das Feuerwehrhaus Mittelstadt brennt. Die Schutzkleidung ist für die Mannschaft unerreichbar. Ursache ist ein Gerätewagen, der sich durch einen Kurzschluss entzündet hat. Trotzdem schaffen zwei Feuerwehrmänner das zweite Fahrzeug aus der Halle und bringen es in Einsatz.
§§ »Alle machen sich Sorgen, was ich nun in der Freizeit mache« »Es ist schon ein besonderes Gefühl, ohne persönliche Schutzausrüstung Löscharbeiten durchzuführen«, sagt Fauser. Geschafft haben sie trotzdem. Und das Feuerwehrhaus? Es wurde wieder hergerichtet und modernisiert.
Mitte der 90er-Jahre verunglückt ein Feuerwehrkamerad bei einem Verkehrsunfall. Eine Woche lang habe der in Lebensgefahr geschwebt. »Das ist mir sehr an die Nieren gegangen«, sagt Fauser. »Notfallseelsorge gab es damals noch nicht. Wir haben dann in der Gruppe miteinander gesprochen.« Heute würde er in einem solchen Fall Notfallseelsorge für alle Beteiligten anfordern. Denn wenn man in die Gruppe fragt, wer seelische Unterstützung braucht, trauten sich die wenigsten, sich zu melden.
»Das Wichtigste war für mich, dass ich auch alle Leute gesund nach Hause gebracht habe.« Dieser Verantwortung ist Gerhard Fauser nach dem Ende seines aktiven Dienstes enthoben. »Alle machen sich Sorgen, was ich nun in der Freizeit mache«, sagt das Feuerwehrurgestein lächelnd und gesteht: »Am Freitag, das ist schon eine Umstellung. Ich werde sicherlich noch ein paar Mal ums Haus kreisen.« Doch ernsthafte Bedenken zu seiner Zeitgestaltung habe er nicht. Schließlich sei er noch beruflich als Elektromeister bei Wafios eingespannt und spiele im Posaunenchor.
Zur Wahl um die Nachfolge im Amt stellt sich Gerhard Fausers bisheriger Stellvertreter, der dreißigjährige Johannes Behringer. (GEA)
http://www.gea.de/region+reutlingen/reutlingen/loeschen+statt+schiessen.2413914.htm