So manchem Passanten stockte am Samstag auf dem Pfullinger Marktplatz der Atem: An Seilen gesichert schieben Feuerwehrmänner behutsam und konzentriert eine Rettungstrage aus einem Fenster des Kirchturms in 30 Metern Höhe. Wenig später wird die Trage, begleitet von einem Retter, langsam zu Boden gelassen.
Bei einem Arbeitsunfall in der Glockenstube, hoch oben im Turm der Pfullinger Martinskirche hatten sich zwei Monteure schwer verletzt. Auf den steilen Holztreppen des Kirchturms und im engen Glockenstuhl ist an einen Transport der Verletzten mit der Krankentrage nicht zu denken. Wenn nun aufgrund der Höhe oder wegen fehlender Aufstellflächen auch der Einsatz eines Drehleiterfahrzeugs nicht möglich ist, sind die Spezialisten der Höhenrettung gefragt.
Glücklicherweise handelte es sich bei der spektakulären Abseilaktion am Kirchturm am vergangenen Samstag nicht um einen wirklichen Notfall. Für sechs Anwärter der Höhenrettungsgruppe der Pfullinger Feuerwehr stand an diesem Tag der Abschluss ihrer Grundausbildung auf dem Programm. Neben schriftlicher und mündlicher Prüfung war eine Einsatzübung unter realistischen Bedingungen zu absolvieren.
Bis die frischgebackenen Höhenretter zur Abschlussprüfung antreten konnten, hatten sie jedoch ein straffes Programm zu absolvieren. Mehr als 80 Unterrichtsstunden umfasste der Lehrgang, der sich über insgesamt fünf Wochen hinzog. Sowohl Teilnehmer als auch Ausbilder absolvierten dieses Pensum komplett in ihrer Freizeit. Die Ausbildung fand unter der Woche abends und an den Wochenenden statt.
Der Lehrgang gliederte sich in drei Abschnitte: In theoretischen Unterrichtseinheiten wurden den Teilnehmern die notwendigen Grundlagen vermittelt. Hierzu zählen die rechtlichen Hintergründe, medizinische Grundlagen und Gerätekunde. Anschließend folgte ein umfangreicher praktischer Ausbildungsabschnitt. Am Übungsturm des Feuerwehrhauses, in der LKW-Montagegrube und an der Dachkonstruktion der Fahrzeughalle wurde die Vorgehensweise bei Rettungen aus Höhen und Tiefen, sowie das gesicherte Arbeiten in absturzgefährdeten Bereichen geübt. Auf dem Programm standen Abseilen mit und ohne Patient, Rettung aus der Tiefe mit Flaschenzügen, der Bau von Seilbahnen zum Patiententransport und die Rettung aus beengten Bereichen. Zum Abschluss des Lehrgangs mussten sich die Teilnehmer noch mehreren aufwändigen Übungen an verschiedenen Objekten im Stadtgebiet stellen. So stiegen die angehenden Höhenretter beispielsweise an der Außenseite eines 40 Meter hohen Baukrans empor und führten verschiedene Rettungen aus der Kanzel und vom Ausleger des Krans durch. Am Friedrich-Schiller-Gymnasium wurde die Personenrettung von einem Flachdach geübt.
Die Abschlussübung im Turm der Martinskirche war aufgebaut wie ein richtiger Einsatz: Die Teilnehmer wussten noch wenige Minuten vor der Abfahrt weder, an welchen Übungsort sie die Prüfung führen würde, noch welche Aufgabe sie zu absolvieren haben. Die beiden verletzten Monteure wurden von Mitgliedern der Einsatzabteilung gespielt.
Am Marktplatz angekommen gab Ausbilder Bastian Maier, der die Rolle des Einsatzleiters übernahm, eine kurze Einweisung in das Szenario. Jeweils zwei Lehrgangsteilnehmer bildeten einen gemeinsamen Trupp, der eine Aufgabe zugewiesen bekam. Ein Rettungs- und ein Sicherungstrupp rüsteten sich mit Seil- und Materialrucksäcken aus und bestiegen den Kirchturm. Oben galt es, die Patienten zu versorgen und Anschlagpunkte für eine sogenannte Schrägseilbahn einzurichten. Gleichzeitig bereitete ein weiterer Trupp am Boden die Korbtrage für den Patiententransport vor, brachte ein Löschgruppenfahrzeug als Gegengewicht für die Seilbahn in Position und sicherte die Einsatzstelle ab.
Für die Seilbahn wurden zunächst zwei schräge Tragseile vom Kirchturmfenster heruntergelassen und vom Bodenpersonal mit Flaschenzügen gespannt. An diesen beiden Seilen wurden anschließend die Patienten, jeweils durch einen Höhenretter begleitet und von zwei weiteren Seilen gesichert, langsam und schonend zu Boden gelassen.
Ausbilder Achim Silberbauer, der die Rettungsaktion vom Boden aus überwacht hatte, zeigte sich mit dem Verlauf der heutigen Übung zufrieden: „Die Rettung der beiden Patienten verlief routiniert und zügig. Man sah, dass alle Handgriffe sitzen und unsere Lehrgangsteilnehmer mittlerweile ein eingespieltes Team sind.“
Vor Ort überzeugten sich auch Kommandant Dietmar Rall und sein Stellvertreter Volker Hecht, der zugleich auch Leiter der Höhenrettungsgruppe ist, vom Erfolg der Abschlussübung. Wir gratulieren an dieser Stelle unseren frischgebackenen Höhenrettern und wünschen ihnen allzeit unfallfreies Arbeiten!