Feuerwehr - Bei der Hauptversammlung beklagt Kommandant Hermann fehlenden Nachwuchs
Einsatzzahlen auf dem Höchststand
VON MARTIN SCHREIER
REUTLINGEN. Stell dir vor, es brennt und keiner löscht. Nachwuchsmangel und eine neue Höchstmarke bei den Einsatzzahlen - die Feuerwehr Reutlingen steht vor großen Herausforderungen. Das wird bei ihrer Hauptversammlung am Freitagabend in der Feuerwehrwache Hauffstraße deutlich. Neben Hunderten Feuerwehrleuten haben auch Vertreter aus Politik, Polizei und Hilfsorganisationen auf den harten Bierbänken in der leer geräumten Fahrzeughalle Platz genommen.
Nachwuchs im Schulstress »Alarmierend ist für mich, dass 70 Prozent der Jugendlichen die Schule als Austrittsgrund angeben«, sagt der Leiter der Jugendfeuerwehr, Andreas Bleher in seinem Beitrag. Die Mannschaftsstärke der Jugendfeuerwehr weicht in den einzelnen Ortsteilen erheblich voneinander ab. Während die Feuerwehren Stadtmitte und Sondelfingen mit 17 Jugendlichen die Spitzenplätze einnehmen, sind Ohmenhausen und Bronnweiler mit gerade mal einem Jugendlichen Schlusslicht.
Um dem Nachwuchsmangel zu begegnen, haben die Brandbekämpfer im vergangenen Jahr die Kinderfeuerwehr aus der Taufe gehoben. Damit sollen Menschen schon ab dem sechsten Lebensjahr an die Rettungsorganisation herangeführt werden. Vom Wegfall der Wehrpflicht ist auch die Feuerwehr betroffen. »Das Freiwillige Soziale Jahr und der Bundesfreiwilligendienst helfen uns nicht weiter«, so Feuerwehrkommandant Harald Hermann.
»Wir sind offen für jeden, gleich ob Mann, Frau oder Migrant«, sagt Brandamtsrat, Dietrich Knobloch. Von den 400 Ehrenamtlichen im aktiven Dienst sind lediglich 15 Frauen. Und keine davon bekleidet eine Führungsposition. Das sei auch bei anderen Feuerwehren nicht anders, sagt Knobloch und erklärt: »Frauen ticken anders, sind weniger für Technik zu begeistern.« Diejenigen, die die Grundausbildung überstehen, blieben aber dauerhaft.
Mit 465 aktiven Feuerwehrangehörigen, davon 62 Einsatzbeamte aus der Berufsfeuerwehr, konnte der Personalstand im Vergleich zum Vorjahr etwa auf gleichem Niveau gehalten werden, sagt Feuerwehrkommandant Hermann. Trotzdem müsse die personelle Entwicklung weiterhin sorgfältig beobachtet werden. Setze sich der Trend fort, zwischen 45 und 50 Jahren den aktiven Dienst zu beenden, würden in den kommenden Jahren 68 Feuerwehrangehörige ausscheiden. Bereits heute würde in sechs Abteilungen der Freiwilligen Feuerwehr die Sollstärke nicht mehr erreicht.
Junge belastbarer auch die Altersstruktur sei nicht mehr ideal. Das Durchschnittsalter liege in den Einsatzabteilungen bei 37 Jahren. Atemschutzeinsätze verlangten eine hohe physische und psychische Belastbarkeit, die idealerweise von 18- bis 25-Jährigen erbracht wird. Doch genau diese Altersgruppe sei geschrumpft, »sodass heute die Hauptlast der Feuerwehrarbeit von 26- bis 45-Jährigen zu tragen ist«, so Hermann. Anders als die Personalentwicklung haben die Einsätze der Feuerwehr zugelegt. Gegenüber dem Vorjahr sind die Einsatzzahlen im Jahr 2011 um 41,5 Prozent gestiegen. Zwar haben zwei Unwetter mit 130 Einsätzen einen großen Anteil daran. Doch sie erklären nur ein Drittel der Zunahme.
1 514-mal musste die Feuerwehr zum Einsatz ausrücken. »Die Zahl der Brandereignisse erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr von 287 auf 349«, so Hermann. Eine Erklärung für die Zunahme hat er nicht.
In seinem Grußwort dankte Bürgermeister Peter Rist den Feuerwehrleuten. »Die Feuerwehr ist ein Aushängeschild für Reutlingen.« Wie gut die Mannschaft ist, zeige sich in den Abwerbeversuchen anderer Feuerwehren. (GEA)